Das Leben für Schwangere ist eigentlich genau gleich, wie für Nichtschwangere. Einfach anstrengender. Viiiel anstrengender.
Das liegt daran, dass man als Schwangere Pubertät und Vergreisung durchmacht. Gleichzeitig, versteht sich.
Mit der erfolgreichen Befruchtung macht sich der weibliche Körper, nach Jahren des mehr oder weniger einvernehmlichen Zusammenlebens, einfach selbständig.
So verlangt er plötzlich zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten nach einer Mahlzeit. Und zwar in Portionen, die einen äusserst aktiven 17-jährigen überfordern würden. Inhaltlich bevorzugt er nicht die empfohlene leichte Schwangerschaftsernährung, sondern gutbürgerliche Hausmannskost: Nudeln mit Rahmsauce. Älplermagronen. Und natürlich Kartoffeln in allen Variationen. Gern mit Mandelstangen und Zigerkrapfen zum Dessert.
Morgens verweigert er störrisch jeden Weckruf. Klebt sich hartnäckig an die Matratze, um wettzumachen, dass er einem die ganze Nacht mit Gedanken zur eigenen Endlichkeit geplagt hat, die nur unterbrochen wurden, um die Toilette zu besuchen. So etwa alle zwei Stunden.
Ausserdem: Der Rest der Welt kann uns mal. Der schwangere Körper wird so faul und unmotiviert, dass er sich am liebsten den ganzen Tag im Gammellook in sein eigenes Zimmer zurückziehen würde, um zu chillen.
Alltägliche Dinge wie Staubsaugen oder das Anziehen der Socken werden ihm lästig. Die Wohnung ähnelt daher mehr und mehr einer zwanglosen Studenten-WG. Was auf den Boden fällt, bliebt liegen. Es gibt Wichtigeres im Leben. Ausserdem ist das Bücken einfach zu anstrengend. Die Knie! Der Rücken! Generell neigt der trächtige Körper zum Zwicken und Zwacken, holpert bei der Verdauung und lagert Wasser ein: Statt über Männer klagen wir nun über Gebresten. Sexy war gestern. Heute tragen wir bügellose BHs, Kompressionsstrümpfe und Unterhosen, in denen man zelten könnte. Aufs Rasieren verzichten wir ganz. Schlicht, weil wir die neuralgischen Stellen nicht mehr erreichen.
Ganz egal ist uns das nicht. Jahre, nachdem wir uns ENDLICH mit der eigenen Figur abgefunden hatten, stehen wir plötzlich wieder vor dem Spiegel und studieren den eigenen Hintern: Ist er grösser geworden? Ist er kleiner geworden? Oder scheint das nur so, weil der Bauch so riesig ist? Sieht der Bauch aus wie der einer Schwangeren, oder sieht er einfach nur fett aus? Männer, enge Freunde und nahe Verwandte werden zu dieser lebenwichtigen Frage beigezogen und wehe, sie geben die falsche Antwort. Dann erleben sie das Temperament einer Schwangeren live.
Das Ankleiden dauert STUNDEN. Aber wenn wir heute glauben, wir hätten nichts mehr anzuziehen, haben wir vermutlich Recht. Wenigstens ist das ein respektabler Grund, in Tränen auszubrechen. Weitere Gründe: Geschichten über Frauen, die ihr Kind verlieren.* Oder ihren Hund.** Eine Pamperswerbung am TV. Wenn keine Schokolade mehr im Kühlschrank ist. Ein schönes Lied im Radio. Die Wasserwerke laufen in der Regel aber auch einfach mal so. Das ist genau so unerklärlich wie die hysterischen Lachanfälle. Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt: Die Laune einer Schwangeren ist etwa so stabil wie das Aprilwetter.
Wir werden furchtbar ungelenk, weil unser Gehirn nicht mit dem rasanten Köperwachstum Schritt hält.
Oder weil wir ständig die neue Körperfülle und deren Wenderadius unterschätzen.***
Wir werden schusslig. Ob Schirme, Handschuhe, oder Parktickets: Was verloren gehen kann, geht verloren. Ob Zugbillete lösen, Milch mitbringen, Wäsche aus der Maschine nehmen: was vergessen werden kann, wird vergessen. Ein Wunder, dass wir morgens vollständig angezogen aus dem Haus kommen und noch wissen, wohin wir wollen.
Nun. Damals wie heute hilft kein Wehklagen und kein Jammern. (Wohl auch morgen nicht. Damit vergraulen wir dann höchstens unseren Pflegeroboter.) Da müssen wir durch.
Schliesslich produzieren wir nebst dem E-Mail-Beantworten, Geschirrspülen und Masterarbeiten schreiben gerade ein Kind.
Verzeihen wir unserem Körper, dass ihn das Koordinieren dieses wunderbaren Vorgangs nun mal ziemlich in Beschlag nimmt.
* Dabei spielt es nicht mal eine Rolle, ob die Geschichte wahr oder fiktiv ist. Den betreffenden Roman konnte ich auch nach drei Anläufen nicht fertig lesen. Schluchzend kann man einfach keine Buchstaben erkennen.
** Dito.
*** Gerade heute blieb ich nach dem Montieren eines Mobile-Halters zwischen zukünftigem Wickeltisch und Bettchen stecken.