Dienstag, 25. Februar 2014

Das Finale


Unter mir funkelten die Lichter der Stadt. Der nach Desinfektionsmittel riechende Linoleumboden war so grau wie mein Nachthemd. Es war drei Uhr früh und ich zog seit zwei Stunden wehklagend durch den zwölften Stock. Wie ein übergewichtiges Gespenst. Völlig unbeachtet, denn dass kugelbäuchige Frauen mitten in der Nacht stöhnend durch die Gänge watschelten, war in der Gebärabteilung des Kantonsspitals Winterthur wohl keine Seltenheit. Alle paar Minuten hielt ich inne, um auf ein plastikverpacktest Reservebett gestützt eine Wehe zu veratmen. Endlich. Endlich ging es los.


Gewartet hatte ich lange genug. Da sich meine Gebärmutter ja standhaft geweigert hatte, das Kind freiwillig herzugeben, waren wir am Tag zehn nach ET (errechneter Geburtstermin) ins Spital beordert worden, um die Geburt einzuleiten. In der Nacht zuvor hatte ich kein Auge zugetan vor Aufregung. Doch als wir am nächsten Morgen mit gepacktem Köfferchen eintrafen, schickte man uns wieder nach Hause: Die Gebärabteilung sei hoffnungslos ausgebucht. Wir sollten doch bitte schön am nächsten Tag wieder kommen.

"Wie bitte?" brüllte ich. "Jetzt habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen um hierher zu kommen, nur um wieder nach Hause geschickt zu werden? Oh nein! Ich verlange sofort, auf der Stelle und wie  abgemacht in ein Gebärzimmer mit Badewanne gebracht zu werden! Schwängerer und geburtsbereiter als ich kann man nicht sein!" 


Nein, das tat ich natürlich nicht. Leute, denen man bald nackt und bloss ausgeliefert sein wird, brüllt man nicht an. Ich warf nur böse Blicke auf die stöhnende Schwangere, die eben in ein Gebärzimmer wankte. Blöde Ziege! Drängte sich einfach vor!


24 Stunden später der nächste Versuch: "Dieses Mal verlassen wir das Gebäude nicht bevor das Baby da ist", zischte ich M. beim Betreten des Spitals zu. 


Zwei Stunden später standen wir wieder vor der Drehtür. Man hatte mich nach Verabreichung der einleitenden Medikamente spazieren geschickt, "um die Wehen anzuregen". Wahrscheinlicher war, dass der Raum in der Zwischenzeit gebraucht wurde, da im zwölften Stock noch immer Hochbetrieb herrschte. Die Winterthurerinnen vermehrten sich gerade wie die Karnickel. Das Fernsehprogramm muss vor neun Monaten tatsächlich sehr schlecht gewesen sein.

M. und ich haben ja unterschiedliche Methoden der Stressverarbeitung. Ich brauche frische Luft. M. braucht Kunst. Also begaben wir uns ins Museum Römerholz, wo sich M. an alten Meistern erlabte, während ich schwerfällig durch den Park watschelte. Anschliessend stärkten wir uns im Museumscafé, sicherheitshalber auf der Terrasse. Für den Fall, dass meine Fruchtblase platzen sollte, würde hier die Sauerei einfacher zu entfernen sein."Und merkst du was?" fragte M. mit vollem Mund.  Ich horchte angespannt in meinen Bauch. Doch abgesehen von einem Rumpeln, das zweifelsfrei der Verdauung der eben verspiesenen Aprikosenwähe zugeordnet werden konnte, war es noch immer ominös ruhig. Keine Wehe weit und breit. Das stellte auch die Hebamme bei der nächsten Kontrolle fest. Also stopfte sie mich mit einer weiteren Ladung Wehenanreger und schickte uns abermals hinaus.

Beim Walchenweiher angekommen, begann es in meinem Bauch zart zu grumscheln. "Ich merke was", rief ich aufgeregt. "Schnell, mach ein Foto!" "Sollte wir nicht lieber zurück ins Spital gehen?" meinte M. besorgt. "Wäre es nicht schön, ich könnte hier gebären", sagte ich und betrachtete verträumt die sanft hin und her schaukelnden Baumwipfel, die sich auf der spiegelglatten Wasseroberfäche des Teichs spiegelten. Dann entdeckte ich die Red Bull Dose, den Hundehaufen und eine Menge grünen Algenglibber. So schnell wir konnten gingen watschelten wir zurück in die hygienisch sauberen Räume des Kantonsspitals.

"Eindeutig Wehen", bemerkte M. beim Blick auf den langen Streifen, den das CTG-Gerät ausleierte. Nach den gefühlten 1000 CTG-Tests der letzten Tage hielt er sich für einen Fachmann. "Wehen", bestätigte dann aber auch die Hebamme.

Wehen sind ja launische Diven. Man weiss nie, ob sie nun tatsächlich zur grossen Show ansetzen, oder erst mal nur ein bisschen ihr Publikum plagen, um dann, wenn die Aufregung am grössten ist, wieder für eine Weile hinter dem Vorhang zu verschwinden. Bei der Art und Weise wie ich vom Personal des Spitals behandelt wurde, schienen sich bei meinen Wehen eher um letztere zu handeln. (Schliesslich stand die angehende Mutter noch immer aufrecht, war vollständig angezogen und verständigte sich mit klar artikulierten und anständigen Wörtern in Zimmerlautstärke. Es konnte sich also noch nicht um wirklich schlimme Schmerzen handeln.) Also beliess man uns vorerst im Untersuchungszimmer. Man brachte uns ein zweites Bett und zwei Abendessen, welche M. beide verschlang, bevor er in Tiefschlaf fiel. Ich hoffte, das Kind würde dereinst sein unerschütterliches Temperament erben. 


Bei mir hingegen war weder an Schlaf noch an Essen zu denken. Und je mehr ich mir sagte, dass ich die Stärkung für später brauchen würde, desto weniger müde und hungrig war ich. Dennoch nickte ich kurz vor Mitternacht ein. Nur um eine knappe Stunde später festzustellen, dass ich keine bequeme Position mehr finden konnte: Das zarte Grumscheln hatte sich mittlerweile in ein eher unangenehmes Ziehen im Kreuz verwandelt. Leise, um M. nicht zu wecken, schlich ich mich in den Gang. 


Bis sechs Uhr früh zog ich dort also meine Runden. Gehend Schlurfend liessen sich die Schmerzen nämlich besser aushalten. Hatte ich erwartet, dass die Geräuschkulisse im Flur der Gebärabteilung an einen Horrorfilm erinnerte, so wurde ich enttäuscht: Es war gespenstisch ruhig dafür, dass hier am Fliessband geboren wurde. (Bald würde ich froh sein zu wissen, dass Wände und Türen hier so gut schallisoliert waren, dass eine äusserst motivierte Heavy-Metal-Band proben könnte, ohne dass man im Flur auch nur einen Pieps hören würde.) 

Einmal öffnete sich eine Tür und ein Rollstuhl wurde herausgeschoben. Die Frau darin hielt ein winziges, rosiges Bündel im Arm. Ich musste ein bisschen weinen. Bald. Bald würde auch ich ein Baby im Arm halten. Dafür lohnten sich doch alle Strapazen der Welt! Baby, du und ich, wir schaffen das, flüsterte ich dem kleinen Menschlein in mir zu. So schlimm konnte das nicht werden.

"Aaaaaarrrrh!! So ein Scheiss!!" brüllte ich. "Ist Ihnen heiss?" fragte die Hebamme. "Nein, sie sagte: So ein Scheiss", übersetzte M. hilfsbereit, kurz bevor ich ihm aufs T-Shirt reiherte. So schlimm konnte das nicht werden? Oh doch, es konnte.
Die PDA wirkte nicht. Das heisst: Sie wirkte schon, nur nicht dort, wo sie sollte. Füsse und Beine absolut gefühllos lag ich an  tausend Schläuche und Kanülen ans Bett gefesselt und konnte mich nicht mal mehr selber aufsetzen, um in eine Schüssel zu kotzen. Ich konnte aber sehr wohl noch spüren, wie die Wehen versuchten, meinen Leib in zwei Teile zu spalten, während sich draussen die Dämmerung über die Stadt legte.


Gegen halb sieben Uhr morgens hatte sich mir endlich jemand erbarmt und mir eine heisse Bettflasche gebracht, die ich mir bei jeder Wehe, stehend über eine Bettkante gebeugt, aufs Kreuz presste, während M. munter unser Frühstück verputzte.
Ich war müde, aber zuversichtlich. Schliesslich war ich bald 24 Stunden im Spital und hatte seit gut 12 Stunden Wehen.

Das Ergebnis des nächsten Untersuchs war aber ernüchternd. Obwohl die Wehen nun alle vier bis fünf Minuten kamen, hatte sich der Muttermund noch kaum geöffnet. Dass wir gegen halb zehn dennoch in ein Gebärzimmer verlegt wurden, hob meine Laune etwas: Die Geburt musste absehbar sein, sonst hätte man uns bestimmt nicht in eins der zur Zeit sehr begehrten Zimmer gelassen. Sofort hüpfte stieg hievte ich mich in die quietschentchenfarbene Badewanne. Herrlich!


Kaum sass ich ich drin wurde ich von zwei äusserst attraktiven Teenagern Ärztinnen begutachtet, welche mich mit ernsten Gesichtern über die verschiedenen Möglichkeiten der Schmerzlinderung informierten. Ich lachte verächtlich.

Schmerzen? Was für Schmerzen? Das warme Wasser wirkte einfach wunderbar. Hier würde ich bleiben und mein Kind Kraft heissen Wassers und meiner Atemtechnik gebären. Wer hätte das gedacht: Die Eso-Ratgeber und Hypno-Birthing-Tanten hatten Recht gehabt! Nackt wie Gaia mich schuf, planschte ich die nächsten paar Stunden vor mich hin, veratmete lässig meine Wehen und fühlte mich so erdmütterlich entspannt, dass ich mich nicht mal durch das ständige Kommen und Gehen von weissbekittelten Menschen, die sich Folterinstrumente Geräte ausliehen oder mit der Hebamme einen Schwatz hielten, geschweige denn dem Handwerker, der die Fensterscheiben putzen wollte, irritieren liess.  

M. fertigte derweil munter Kohlezeichnungen seines nackten Weibs an. Schwurblis Herzchen schlug mit der Gleichmässigkeit und der Präzision einer Schweizer Quarzuhr. Alle waren glücklich und zufrieden. Alle ausser der Hebamme. Ihre Schicht neigte sich nämlich dem Ende zu. Im Flur standen die gebärbereiten Winterthurerinnen Schlange. (Kein Witz, später sollte ich erfahren, dass meine Zimmernachbarin ihr Kind in einem der Vorbereitungszimmer zur Welt bringen musste, weil alle Gebärsäle besetzt waren.). Also griff sich die Hebamme eine Art Häkelnadel und liess meine Fruchtblase platzen. (Was nebenbei bemerkt brutaler klingt, als es war. Ich hatte bloss etwas Mitleid mit meinem Baby. Das ist ja, als würde jemand plötzlich das Wasser aus der Wanne lassen.) Dann schraubte sie den im Muttermund Volksmund Wehentropf genannten Wehenbeschleuniger hoch.

Ja und dann, erst dann begriff ich wirklich, warum Wehen Wehen hiessen. Ich wand mich in der Badewanne wie ein hyperaktiver Oktopus. Nur noch dumpf erinnerte ich mich an den Vorbereitungskurs, bei dem geraten wurde, während der Wehen tief und gleichmässig in den Bauch zu atmen und in den Pausen zu entspannen, um Kraft für die nächste Wehe zu sammeln. Von Pausen konnte bei mir aber leider nicht mehr die Rede sein. Ich konnte nur noch schwach zwischen "auuhaaaaaa!!" und "AAAAAHHUUAAAAA!!!" unterscheiden. Dennoch atmete ich in den Bauch als gabs kein Morgen (ein Gedanke, der mir je länger je plausibler erschien) und röhrte dazu wie ein besonders brünstiger Hirsch: ChrrrOOOOOOoooohh!! ChrrrrooOOOOooohhh!! ("Oooh"-Töne helfen ja angeblich den Muttermund zu entspannen, hatte ich im Kurs gelernt. "Iiih-" und "eeeh"-Töne waren hingegen strikt zu vermeiden.) Noch immer war ich wild entschlossen, dieses Kind selber aus mir rauszukriegen.

"Soll ich Ihnen etwas Himalaya-Salz in die Wanne streuen?" fragte mich eine Pflegeassistentin. Ich schaute sie nur ungläubig an. Himalaya-Salz? Ich hatte mir ja Sorgen gemacht, dass ich nicht mit der Hebamme meines Vertrauens gebären konnte. Oder dass M. die Sache zu viel werden könnte. Auch hatte ich im letzten Moment kurz bereut, dass ich ohne entspannende Duftöle und muttermundlockernde Musik in die Gebärabteilung eingerückt war. Aber ganz ehrlich: Wäre ich nun plötzlich mit Darth Vader in einer Tiefgarage gewesen, ich hätt`s nicht mitgekriegt. Ich war viel zu sehr mit mir selber beschäftigt. Im Nachhinein betrachtet war das paradoxerweise etwas vom Schönsten an der ganzen Sache: Dieses nur auf mich und diesen Moment konzentrierte. Ein schon fast meditativer Zustand.

Der Nachmittag neigte sich dem Ende, als mich die Hebamme aus der Wanne holte, um mich abermals zu untersuchen. Nach ihrem Befund schickte ich meine innere Erdmutter in die Wüste und bestellte eine PDA. Ich hatte ja geahnt, dass eine Geburt kein Spaziergang werden würde, aber nach einer schlaflosen Nacht und bald 17 Stunden Wehen kam ich nun doch an meine Grenzen. Mein Muttermund hatte sich in der ganzen Zeit nur gerade einen Zentimeter mehr geöffnet. Eher hätte Gollum seinen Ring hergegeben, als meine Gebärmutter das Kind. Ich fürchtete, die Geburt könnte sich noch eine weitere Nacht hinziehen, dafür hatte ich schlicht keine Kraft mehr. 

Die Hebamme freute sich sichtlich, dass ich mich der modernen Medizin gegenüber aufgeschlossen zeigte. Die PDA würde möglicherweise auch meinen Muttermund entspannen, meinte sie und ging flugs los, einen Anästhesisten aufzutreiben. 

Ich erspare euch die Details meiner PDA. Ich werde hier nun nicht  seitenweise über das lange Warten auf die Anästhesistin (die vermutlich noch rasch das Staatsexamen abschliessen musste, die, da gerade im Akkord geboren wurde, gerade im Akkord PDAs stechen musste, das zumindest würde erklären, warum es eine volle Stunde ging, bis endlich eine sehr erschöpft aussehende frühreife Zwölfjährige junge Ärztin auftauchte, die mich M. erstmal einen telefonbuchdicken Stapel zum Thema "Risiken und Nebenwirkungen" durchackern liess (M.: Hast du Bluthochdruck, Leberzirrhose oder Schizophrenie?" Ich hätte ihn mit meinen Wehentropf gehauen, wenn ich die Kraft dazu noch gehabt hätte.), derweil sie abermals eine halbe Stunde verschwand, vermutlich um auf dem Spitaldach ein paar Selfies zu schiessen, eine zu rauchen und ihren Facebook-Status zu checkenvermutlich weil gerade wieder ein paar Erstgebärende festgestellt hatten, dass ihre im Geburtsvorbereitungskurs euphemistisch "Wellen" genannten Wehen nicht dem lauen Plätschern des Zürisees, sondern mehr einem ausgewachsenen asiatischen Tsunami ähnelten und darum auch sofort und auf der Stelle eine PDA wollten. 
Ich werde nicht darüber berichten, wie es sich anfühlt, wenn man dann endlich, während man sich windet und krümmt vor Schmerzen, aufrecht auf ein Bett sitzen und RUHIG HALTEN muss, damit einem die Nadel nicht versehentlich ins Schulterblatt gestochen wird. 
Auch nicht, dass die pubertierende Göre Anästhesistin nach gefühlten drei Stunden Stochern feststellen musste, dass sie leider beim Stechen nur auf Knochen stosse und deswegen weiter unten noch mal stechen müsse. 
Oder dass nicht mal das Stechen, sondern vielmehr das Abreissen des OP-Klebepapiers vom Rücken am meisten weh tat.
Und dass die PDA dann nicht dort wirkte, wo sie sollte, das habe ich ja auch schon erwähnt. 
Und dass man mir das erst gar nicht glauben wollte? 
Ein weiterer, von der Hebamme beorderter Anästhesist schnippisch meinte, er könne nichts machen, ich hätte bereits die höchste Dosis erhalten? 
Für eine halbe Stunde verschwand und dann meinem Geschrei entnahm, dass ich vermutlich noch immer starke Schmerzen hatte? Ja was, es tue noch immer weh? 
Tatsächlich? 
Wirklich wahr? 
Ja also, wenn das tatsächlich so sei (nein, ich finde das einfach noch lustig, so zu tun als ob, Sie Idiot), befand, dann müsse halt noch mal gestochen werden? 

Ich lehnte dankend ab. Denn mittlerweile sah ich endlich Licht am Horizont: Der Muttermund hatte sich auf 8 cm geöffnet!
Das gab mir wieder neue Kraft. Die Wehen waren sehr schmerzhaft, auch für M., dem ich fast die Hand zerquetschte, liessen aber zwischendurch ganz nach, so dass ich mich etwas erholen konnte. Ich hatte mich darauf gefasst gemacht, in dieser Phase zu fluchen oder Angst zu haben, aber ich war ganz ruhig. War die Erdmutter wieder da? 

Chrrrrrooooooohhhhh!

Und plötzlich ging alles ganz schnell. Sie könne das Köpfchen sehen, rief die Hebamme. Ob ich es auch sehen wolle? Ehrlich gesagt reichte mir das Wissen, dass wir uns auf dem Endspurt befanden. Ehrlich gesagt, würde ich lieber das sehen, was nach dem Köpfchen kam, denn dann wäre diese Tortur endlich vorbei. Ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass ich es überhaupt sehen würde, denn gerade sehe ich nur noch Sterne. 

HHHHHHHHHRRRRRRROOOOOOOHHHNNG!

Aber halt, nur eine Rabenmutter würde sich nicht für dieses bestimmt sehr ergreifende und lebensverändernde Erlebnis interessieren, dachte ich. Und will ich eine Rabenmutter sein, noch bevor dieses Kind das Licht der Welt erblickt? "Ja", keuchte ich also, "ich will es sehen." Daraufhin verschwand die Hebamme und kam mit einem Spiegel wieder, der in etwa die Dimension des Spiegels Erised aus "Harry Potter" hatte. Doch wie sie ihn auch drehte und wendete, war der einzige Kopf den ich sah meiner. Und es war kein schöner Anblick. Wir liessen es also bleiben und konzentrierten uns zu meiner Erleichterung wieder aufs Wesentliche.

HHHHHHRHRRNNNNGGGGH!

M. flösste mir mit einem Strohhalm Wasser ein. Nun war ich fast froh für die falsch gestochene PDA: Das ermöglichte mir, selber zu pressen. Andererseits musste ich wegen meiner absolut gefühllosen Beine auf der Seite liegen und konnte nicht im Stehen oder Hocken gebären, was die Sache sicher leichter gemacht hätte. Stattdessen hiess mich die Hebamme, den Oberkörper bei jeder Wehe seitlich aufzustützen, ihr gleichzeitig mein eines Bein über die Schulter zu legen und dann mit aller Kraft zu pressen. Das war so kompliziert, wie sich das anhört. Und hatte ich gemeint, die Schmerzen können nicht mehr schlimmer werden, so hatte ich mich getäuscht. Es fühlte sich an, als würde mein Rücken auf Kreuzhöhe entzwei gespalten.

HHHHHHHRRRRRRRRNNNNNNGGGHH!!!!

Draussen war es abermals dunkel geworden. Die Lichter der Stadt glitzerten. M. hatte im Vorfeld etwas immer wieder betont: Komme was wolle, er würde an meinem Kopfende bleiben. Doch nun stand er völlig fasziniert neben der Hebamme und sah zu, wie sein Sohn ins Leben rutschte. Die Nabelschnur dreimal um den Hals gewickelt.
Wir hatten es geschafft. Das Mli war da.