Dienstag, 5. Mai 2015

Sportlich war gestern

Lieber schlafen, als joggen.

Als ich vor einigen Wochen mit hochrotem Kopf vom Joggen kam, musterte mich M. mit sorgenvollem Gesicht. "Also, eigentlich finde ich das gar nicht gut, was du da machst", meinte er. 

Bevor ich gerührt sein konnte, dass er um mein und/oder des Kindes Wohl bedacht war, ergänzte er: "Das ständige Geschaukel führt nur wieder dazu, dass es uns mit dem Baby dann wieder geht wie mit dem Mli."

Tja. Das war in der Tat zu befürchten. Das Mli, unser Sohnemann, hatte nämlich so ziemlich die gesamten ersten vier Monate seines Lebens darauf bestanden, sich auf einer lebenden Person aufzuhalten, welche ihn im Idealfall noch schaukelte. Und zwar nicht hin und her, nein, auf und ab. Dann war er das glücklichste und zufriedenste Baby der Welt. Was hiess, dass wir die ersten vier Monate de facto auf dem Gymnastikball lebten. Ich hatte sogar gelernt, so zu essen: Das Mli im Tragetuch angeschnallt auf dem Gym-Ball wippend. Wegen akuten Schweiss- und Milchausbrüchen war zeitweise auch das Dondolo zum Einsatz gekommen. Aber wehe, der Sklave hörte auf das, das Ding zu wippen. Sofortiges, empörtes Geschrei war die Folge.

M. war überzeugt, dass es daran lag, dass ich in Mlis Schwangerschaft so oft joggen war. 
Aber seine Sorgen sind völlig unbegründet. Denn in dieser zweiten Schwangerschaft sehe ich es schon als sportliche Herausforderung, ohne Verschnaufspause in mein Büro im dritten Stock zu gelangen. Erstens schien ich in den ersten drei Monaten jeden Käfer, der herumschwirrte freudig bei mir willkommen zu heissen (mein Immunsystem hatte sich vermutlich eine längere Auszeit genommen) und war ich gerade mal wieder gesund, war mir übel. Nicht schlimm, aber doch so, dass mir gar nicht zum Joggen zumute war. Zweitens habe ich nun ein Kind. Will heissen, ich kann nicht, wie zuvor, wenn es mir gerade passt, die Laufschuhe schnüren und losrennen.

Zwar haben wir uns einen superschicken Veloanhängerslashjoggerwagen angeschafft, enthusiastisch wie wir waren gleich einer für zwei Kids. Aber ganz ehrlich: Schiebe ich Sohnemann derzeit im Kinderwagen unsere Strasse hoch, werde ich gerne von älteren Damen am Rollator überholt. Zu meiner Verteidigung: Unser Wonneproppen wiegt mittlerweile bereits gegen 14 kg. Und meine Lunge wird vom unmittelbar benachbarten Baby doch ganz schön zusammengequetscht. 

Wehmütig denke ich an meine erste Schwangerschaft zurück. Da joggte ich noch regelmässig bis Ende 7. Monat und machte Schneeschuh- und Langlauftouren. Schwimmen und Velofahren standen noch fast bis kurz vor der Geburt auf dem Programm. 

Ich mache nun einen Aquafit-Kurs. Zwar ist es an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten, in einem öffentlichen Hallenbad zu "Ein Bett im Kornfeld" mit bunten Poolnudeln herumzufuchteln, aber meine tapferen Mitstreiterinnen, alle weiblich, über 60 Jahre und/oder 100 kg, befinden sich aktuell in etwa auf dem gleichen Sportlichkeitslevel wie ich. Und ganz ehrlich: Nach jeder 45 minütigen Lekiton bin ich saustolz, überhaupt etwas getan zu haben.