Und ich dachte, die
zweite Schwangerschaft sei entspannter. Kein Abwägen von Pro und Contra Impfen,
keine Neuorganisation des Arbeitsverhältnisses, kein Geburtsvorbereitungskurs,
keine Spitalbesichtigungen, kein Herumrennen wegen Stramplern aus
Bio-Schurwolle, Wickeltisch, Babybettchen, Dondolo und den tausend anderen
Utensilien, die ein Baby so braucht. Das hatten wir alles schon beim ersten
Kind erledigt. Einzig die Auswahl des Namens bereitete etwas Sorgen, würde
unser zweites Kind doch das selbe Geschlecht haben, wie das erste und wir
hatten uns schon bei dem schwer getan.
Tatsächlich war der
logistische Teil der Vorbereitung auf den neuen Erdenbürger ein Klacks. Zwar
räumten wir Ms Büro zu Gunsten eines grösseren Spiel- und zukünftigen
Schlafzimmers für Mli und das Chnüspi 2, aber ansonsten genoss ich es vor allem
einfach wieder schwanger zu sein und der Geburt relativ gelassen entgegenzusehen.
Und dann musste ich
feststellen, dass eben jede Schwangerschaft anders ist. Und nur weil ich bei
der ersten keinerlei Komplikationen gehabt hatte, ausser der, dass das Kind auch elf
Tage nach dem errechneten Termin nicht freiwillig aus mir herauskommen wollte,
ich nicht automatisch davon ausgehen konnte, dass es in der zweiten
Schwangerschaft auch so sein würde.
Oh nein.
Erstmal gelang es M.
ja, mich mitten in der Husten- und Schnupfenzeit zu schwängern, so dass ich die
ersten drei Monate (Januar, Februar und März) ständig krank war, vom leichten
Schnupfen bis zur ausgewachsenen Grippe, welche einen Besuch beim Notarzt nötig
machte, da ich mich partout geweigert hatte, Medikamente zu nehmen, um dem
kleinen Wesen in mir drin nicht zu schaden und ind er Folge fast
durchdrehte vor Kopfschmerzen.
War ich nicht krank,
war mir übel. Nicht speiübel, aber doch so, dass mir nicht gross zum Essen war.
(Danach folgte dann
übrigens die Zeit, die M. bis heute als „Nudelsuppen-Phase“ bezeichnet, da ich
wochenlang immer nur Nudel-Miso-Suppe essen wollte. Und gelegentlich auch mal
Tortilla-Chips zum Frühstück. Ich schwöre, das war nur einmal!)
Dann folgte das
zweite Trimester, ich fühlte mich besser und alle Tests waren wunderbar
gelaufen. Wir erfuhren, dass wir abermals einen Jungen erwarten durften und
freuten uns sehr. Schliesslich war das Mli so ein fröhliches, lustiges und
aufgewecktes Büebli, dass wir das zweite Exemplar kaum erwarten konnten.
Bis meine
Frauenärztin „Auffälligkeiten“ im Hirn und in der Plazenta feststellte. Und
mich deswegen zum Spezialisten überwies, der quasi den Rolls Royce unter den
Ultraschallgeräten hatte. Anscheinend hatte unser kleiner Knopf Knöpfe im Kopf.
Zysten, je eine links und rechts. (Die Plazenta hatte Lakunen, aber das war
angeblich nichts Schlimmes. ) Die gute Nachricht war zwar, dass die anderen
Organe alle tiptop aussahen, aber das hörte ich schon fast gar nicht mehr. Und
auch, dass behinderte Kinder zwar oft Zysten haben, Zysten allein aber nicht
zwingend ein Hinweis auf Behinderung sind.
Ich bin ein grosser
Fan von öffentlichen Verkehrsmitteln aber an dem Tag hätte ich gern ein Auto
gehabt. Die Leute sind sehr unangenehm berührt, wenn eine sichtlich schwangere
Frau im Bus Rotz und Wasser weint.
Doch kaum hatte ich
mir die schwärzesten Szenarien ausgemalt (das Kind litt darin wahlweise unter Wasserkopf, Autismus oder Epilepsie), kam es, wie es der Spezialist
vermutet hatte: Um die 25. Woche verschwanden die Zysten spurlos.
Gerade wollten wir
aufatmen (ich so tief man eben kann, wenn einem ein kleiner Mensch in
einer grossen Fruchtblase, unter der Lunge rumzappelt) als meine Frauenärztin
feststellte, dass sich der Knopf in Känguruhhaltung befand. Sprich: Füsse
Richtung planmässiger Ausgang. Sie meldete uns zur Lagebesprechung im
Kantonsspital an und meinte, so ganz nebenbei, die sollten auch gleich
überprüfen, ob das Baby nicht vielleicht etwas zu klein war. Diesen zweiten
Teil überhörte ich gänzlich, denn ich recherchierte schweissgebadet das Thema
Steissgeburten. Und erfuhr soviel, dass ich wusste, dass ich das Menschlein
nicht popovoran aus mir rausdrücken wollte. Irgendwie konnte ich mir nicht
vorstellen, dass das meine spass- und reproduktionswichtigen Körperteile unbeschadet überstehen würden. Ich löschte Steissgeburt
aus dem Googlefenster und gab stattdessen Kaiserschnitt ein. Beruhigte mich
nicht unbedingt mehr.
Kurz nach unseren
Ferien, die ich dann aber doch sehr geniessen konnte (Verdrängung ist ein
unterschätztes Talent), dann also der Untersuch. Und da die frohe Botschaft: Das Kind hat sich
gedreht! Freudestrahlend wollten wir uns verabschieden, da kam das grosse ABER.
ABER. Es war
tatsächlich zu klein für sein Alter ... Viel zu klein. Und zeigte laut
Doppler-Untersuch bereits eine nicht ganz optimale Durchblutung im Gehirn und
der Nabelschnur an. Zentralisation heisst das Stichwort, bzw. Kompensation
dafür, dass es anderswo eben haperte. Meine Plazenta schien eine Rabenmutter zu
sein, die vermutlich lieber kettenrauchend bei der Maniküre sass und TV
schaute, als dem Baby was Leckeres, Nahrhaftes zuzubereiten aus den gesunden
Bio-Zutaten, die ich ihr lieferte (ok mal abgesehen von der täglichen
Schoggi-Glace-Ration, aber die ass ich ja für mich, wie man dem wachsenden
Hüftgold ansehen konnte).
Und so begann mein
letzter Schwangerschaftsmonat, den ich in einer Blase zweitgebärender,
erdmütterlicher Gelassenheit hatte verbringen wollen, die letzten Wochen und
Tage als Kleinfamilie geniessend: ein Marathon aus CTG und Ultraschall-Kontrollen
im Spital und dazwischen hektisches Fertigstellen von Magazin- und
Zeitungsartikeln, für die ich eigentlich viel mehr Zeit vorgesehen hatte.
Dazwischen
wusch ich. Säuglingskleider, neue, noch kleinere Säuglingskleider,
Stillkissenbezüge, Bettwäsche, Vorhänge und dann nochmal Säuglingskleider. Irgendwie
wirkte das seltsam beruhigend. (Auf mich. Auf M. weniger, obwohl er dieses
Verhalten von der letzten Schwangerschaft her hätte kennen müssen.)
Zum Glück schaute
Mli, das ich nicht völlig von der Rolle fiel, nicht nur, weil er die
Aufmerksamkeit weg von meinem Bauch auf seine Bedürfnisse lenkte und uns mit
seinen Kapriolen zum Lachen brachte, sondern auch, weil er uns zwang, das Haus
zu verlassen und so in diesen letzten goldenen Sommertagen nochmal etwas Zeit
gemeinsam zu verbringen.
Zeit, die bald sehr rar sein würde.