Sonntag, 11. November 2012
Die natürlichste Sache der Welt
Als ich so durch den Wald trabte, begann es zu regnen. Dicke fette Tropfen fielen mir auf Kopf und Nase. Innert kurzer Zeit war ich durchnässt. Dennoch fühlte ich mich so fröhlich wie schon lange nicht mehr.
Eigentlich bin ich ja ein totaler Sportmuffel. Sport interessierte mich lange gar nicht - weder auf noch abseits dem Bildschirm. Sportsachen waren dazu da, zu Hause bequemer auf dem Sofa fläzen zu können. Sportlehrer werden sich, wenn überhaupt, nur an einen Teenie erinnern, der mit schwarzem Riesen-Shirt und Pijamahosen übellaunig in der entferntesten Ecke der Turnhalle rumlungerte. Ich war nie gut in Sport und wollte es auch nicht sein.
Die Verzweiflung
Etwa mit 24 realisierte ich, dass ich nicht ewig würde Schokolade essen können, ohne mich in das Star-Wars-Monster Jabba zu verwandeln. Erst verzichtete ich auf Schokolade. Nach zwei Tagen wurde mir klar: Ein Leben ohne ist keins. Also warf ich mich notgedrungen in T-Shirt und ausgeleierte Sofahosen und besuchte zum ersten Mal im meinem Leben ein Fitnessstudio.
Ich weiss nicht, was schlimmer war: Die Maschinen, die an Möbel einer mittelalterlichen Folterkammer erinnerten? Die dazu passende sado-masochistische Stimmung? Der antiseptische Geruch? Die anzüglich bis debil stöhnenden Muskelprotze?
Es sei nicht überall so, trösteten mich Freundinnen. Also ging ich in ein anderes. Dort herrschte zwanghafte Nein-was-sind-wir-jung-cool-schön-und-sportlich-Stimmung, der Dresscode schien mir anspruchsvoller als bei einem Dinner bei der Queen und alle schminkten sich VOR dem Sport. Sogar die Jungs. Klar dass ich auffiel wie eine Eringer Kuh im Gazellengehege. Aber ich war ja hier, um Sport zu treiben.
Doch auch damit war ich, gelinde gesagt, komplett überfordert. Die Moves verlangten von jedem Körperteil etwas anderes, gleichzeitig, versteht sich. (Ich habe leider schon Mühe, wenn ich gleichzeitig reden und atmen soll. Gibt es eigentlich einen politisch-korrekten Ausdruck für die Schwäche, nicht zwei verschiedene Dinge gleichzeitig tun zu können? Psycho-motorisch-anders-begabt vielleicht?) Der als entspannend angepriesene Yogakurs war auch nicht besser: Der Leistungsdruck unter den Teilnehmern war schlimmer als an einer chinesischen Balletschule.
Die Erleuchtung
Ich war verzweifelt. Und ausserdem blank. Ich hätte mir das Fitnessstudio nicht leisten können, selbst wenn ich es gewollt hätte. In meiner Not holte ich ein Paar Turnschuhe aus der Verbannung und rannte um den nächstgelegenen Wald. Es war die Entdeckung der natürlichsten Sache der Welt. Laufen. Da war nur ich und die Welt. Keiner stöhnte, keiner guckte, keiner schrie mich an ("Na los! Noch drei! Noch zwei!!"). Ich brauchte, ausser Schuhen, kein Material. Ich konnte laufen, wann ich wollte, wohin ich wollte, so schnell (oder langsam) ich wollte und so weit ich wollte. Und es war absolut gratis.
Dass es zu einer Sucht geworden ist, kann ich nicht behaupten. Zwar laufe ich nun schon mehr als acht Jahre regelmässig, doch noch immer gibt es Tage, an denen ich mich überwinden muss, die Laufschuhe anzuziehen. Wenn es regnet zum Beispiel. Aber sobald ich losgelaufen bin, fühle ich mich einfach super. Ok, meistens jedenfalls.
Darum hoffe ich, dass mir das Laufen auch während der Schwangerschaft nicht vergeht. Denn regelmässiges, moderates Ausdauertraining ist auch für das Baby gut: Es trainiert sein Herzchen und macht es stresstoleranter. Manche Forscher behaupten sogar, die Kinder werden dadurch schlauer und sportliche Mütter hätten eine leichtere Geburt. Sicher ist: Geht es der Mama gut, geht es auch dem Baby gut. Und wenn ich laufe, geht es mir gut.
Nachtrag
Schwanger laufen geht nur mit dem richtigen Sport-BH. Am besten lässt man sich in einem Sport- oder Dessousgeschäft beraten. Bei der Anprobe testlaufen oder -hüpfen. Klingt doof, aber nur so findet man heraus, ob er wirklich alles gut beisammen hält. Ich persönlich habe die besten Erfahrungen mit Odlo und dem Modell "High Ultimate Fit" gemacht. Zwar ärgern mich die etwas rauen Nähte an der Innenseite, aber er stützt wirklich wunderbar.
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