Es ist noch nicht lange her, da die Christenheit gerade mal wieder die Auferstehung von Gottes Sohn feierte. Das Leben des Mannes, der zum berühmtesten Menschen der Welt werden sollte, fing bekanntlich in grösstmöglicher Armut an. In Windeln gewickelt, in einer Heukrippe in einem erbärmlichen Stall. So will es die Legende.
Nun, vielleicht war Maria auch einfach sehr schlecht auf die Ankunft ihres Sohnes vorbereitet. Welche werdende Mutter verlässt denn im hochschwangeren Zustand noch das Haus, um quer durch das ganze Land zu reisen, noch dazu auf einem unklimatisierten Esel, und nimmt nicht mal einen Maxi-Cosi mit?
Geschweige denn ein Pack Pampers, einen Nuggi, eine Milchpumpe, ein Set Strampler aus hautfreundlichem Wolle-Seide-Gemisch, ein Bio-Baumwoll-Mützchen, einen Overall aus naturbelassenem Merino, selbstgestrickte Söckchen, unparfümierte Popo-Crème, eine Wickelunterlage, einen Tummytub, eine Nuggikette mit Bernsteinanteil – um jetzt hier nur einen Bruchteil davon aufzuzählen, was ein Menschlein ausserhalb des Mutterleibs scheinbar alles braucht.
Wer nämlich denkt, dass ein Kind nackt und bloss auf die Welt kommt, der hat sich getäuscht. Heerscharen von Babybedarf-Herstellern sorgen dafür, dass die werdende Mama in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft vor allem eins tut: Einkaufen.
Auch mir hat die Frage, ob und wenn ja was ich für mein Kind alles anschaffen muss, ganz schön viel Kopfzerbrechen bereitet.
Eigentlich braucht ja ein kleines Kerlchen nicht so viel. Hat man ja bei Jesus gesehen. (Wobei der dann auch kurz nach seiner Geburt ziemlich grosszügig mit Gold, Weihrauch und Myrrhe beschenkt wurde und sich damit dann wohl doch den einen oder anderen New-Born-Eselsattel oder eine Ebenholz-Lauflernkutsche, oder was Babys vor zweitausend Jahren sonst so brauchten, hatte anschaffen können.)
Ich hörte von Müttern, so sie denn nicht ohnehin ganz auf Windeln verzichteten, dass sie ihre Kinder auf dem Fussboden wickelten und im Waschbecken badeten. Ja es soll sogar welche geben, die einen Wäschekorb als Bettchen benützen.
Zwar hatte ich mir ebenfalls vorgenommen, nur das allernötigste zu kaufen. Unser Budget war beschränkt und das letzte was ich wollte, war unsere kleine Wohnung mit noch mehr Zeug vollzustopfen. Ich hatte mir geschworen, mir nichts Unnötiges andrehen zu lassen. Jeder Kauf würde sorgfältig überlegt und nur getätigt, wenn der betreffende Gegenstand wirklich praktisch, notwendig, möglichst ökologisch und lange verwendbar war. Und, ebenfalls wichtig, das Auge nicht beleidigte.(Warum glauben so viele Hersteller, alles was am oder um ein Baby herum ist, müsse schreiend bunt und/oder mit verniedlichten Tierchen daher kommen? Es sind ja die Eltern, die das Zeug dann den ganzen Tag anschauen müssen!)
Trotzdem wurde sowohl meine Einkaufsliste als auch die Schachtel- und Taschenberge im zukünftigen Kinderzimmer immer umfangreicher, nicht nur weil ich entschieden hatte, sowohl einen Wickeltisch, als auch ein Bettchen UND ein Badewännchen zu kaufen. Den Wäschekorb brauche ich nun mal für meine Wäsche, das Waschbecken schien mir unpassend und die Sachen, die man gemeinhin zum Wickeln braucht, wollten schliesslich auch dann irgendwo aufbewahrt werden, wenn man das Kind auf dem Fussboden wickelt.
Aber mit dem Kauf eines Wickeltischs, Bettchens und Badewännchens war die Sache längst nicht erledigt. Zum Bettchen braucht man nämlich auch eine Matratze, einen Matratzenschoner, einen Matratzenbezug, ein Nestchen (zum Schutz des Köpfchens im Gitterbett), einen Nestchenbezug, einen Schleiervorhang, ein Mobile, ein Wolldeckchen und ein Schlafsäckchen. Für den Fall dass das Baby zum Schlafen lieber gepuckt werden will, auch noch einen Pucksack. Der Wickeltisch benötigt natürlich noch ein Wickelkissen, einen Wickelkissenbezug, Windeln, Babyöl, Feuchttücher, Waschlumpen, Wasserbecken, Watte, Frotteetücher, Haarbürste, Nagelscherchen und Wundcrème.
Dazu kommt: Sowohl Grösse als auch Bedürfnisse eines Kindes wechseln nach der Geburt fast stündlich und bedürfen austattungsmässig ständiger Nachrüstung. Allein die Kleider müssen ja alle paar Wochen komplett ausgewechselt werden. Da ich nicht wusste, ob ich ein zartes Mäuschen oder vielleicht doch einen dicken Brummer auf die Welt bringen würde, organisierte ich mir sicherheitshalber zwei komplette Ausstattungen in den Grössen 50 und 56. ("Der Junge hat ja jetzt schon mehr Klamotten als ich", lautete M.s Kommentar.)
Dass uns die letzten drei oben erwähnten Punkte (ökologisch, haltbar, keine Sachen, die das Auge beleidigen) sehr wichtig waren, führte dazu, dass wir nicht nur bei der Suche nach dem passenden Kinderbettchen von Pontius zu Pilatus pilgern mussten (um gleich bei den biblischen Vergleichen zu bleiben). Ich hatte gedacht, das Einkaufen für das eigene Kind würde Spass machen. Stattdessen stresste es mich so, dass ich fast neidisch wurde auf die gute Mutter Gottes. Zwar musste sie ihr Kind in einer Heukrippe unterbringen, dafür blieb sie vor halbstarken Kinderwagenverkäufern, Baby-Joe, Ikea, Ricardo und stundenlangem Googeln verschont. Und Kinderkleiderbörsen welche in Sachen Geschäftigkeit und Lärm einem Bauernmarkt im Herzen von Delhi in nichts nachstanden.
Klar musste Maria auf einem Esel nach Bethlehem reiten, ich aber musste im Feierabendstossverkehr von Zürich nach Basel tuckern, um dort ein über das Internet erstandenes Babybay abzuholen. (Ich hatte dummerweise beim Kauf übersehen, wo die Verkäuferin wohnt.)
Zurück kam ich übrigens nicht nur mit besagtem Babybay, sondern auch noch mit einem Riesensack Windeln, einem Fixleintuch, einem Tragetuch, einem Sterilisiergerät, einem Flaschenwärmer und einem Umstandskleid.
"Ein Flaschenwärmer? Ich dachte, du wolltest nur das Nötigste kaufen", fragte M. als ich schwerbeladen ins Haus wankte. "Ich weiss! Aber ein Sterilisiergerät ist unheimlich praktisch", sagte ich. "Wir haben uns doch entschieden, die Sachen einfach in der Pfanne auszukochen", entgegnete M., als ich das Teil auspackte. Es war grösser als unsere Kaffeemaschine und nahm sofort einen Gutteil der Küchenarbeitsfläche in Beschlag.
"Ja, aber die Frau war soo nett! Und stell dir vor, sie hat mir das Ding für nur fünf Franken gegeben", strahlte ich.
Dass das Ding derzeit und wohl bis auf weiteres bei uns im Keller steht, versteht sich von selbst.
Und dass seither auch noch einiges anderes Einzug hielt, nicht weil wir es gebraucht hätten, sondern weil wir es gratis, oder fast gratis bekamen oder es "einfach sooo herzig" war, auch.
PS: Da ich nirgends eine vollständige und wahrheitsgetreue Liste von Dingen, die Eltern und Kind am Anfang brauchen, finden konnte, habe ich hier selber eine erstellt.