Sonntag, 28. April 2013
Hausgemacht
Es gibt ja Frauen, die fernab eines Spitals, in einem Hebammenhaus oder gleich zu Hause im gemieteten Gebärpool entbinden.
Ich respektiere und bewundere sie sehr. Wirklich.
Wenn ich das erste Mal die Welt betreten würde, möchte ich das auch lieber bei uns zu Hause, im meiner Meinung nach sehr ästhetisch und gemütlich eingerichteten Wohnzimmer tun, als im Scheinwerferlicht eines aseptisch riechenden Gebärsaals.
Ausserdem hat man ja, wenn man Schmerzen hat und sich hundeelend fühlt, das Bedürfnis, sich an einen Ort zurückzuziehen, der einem vertraut ist, der Schutz und Geborgenheit bietet.
Frauen, die Angst vor der Geburt haben, haben oft vor allem auch Angst vor dem Spital. Logisch, in der Regel ist ein eher morbider Ort, ein Platz des Siechtums und der Schwäche. Allein der Geruch dreht manchen der Magen um. Dorthin geht man, wenn etwas ernsthaft kaputt ist. Plötzlich ist man nicht mehr "Linda Eggenschwiler" sondern "Gallenblase, Zimmer siebzehn".
Man muss die Kontrolle abgeben, fühlt sich ausgeliefert, glaubt, vielleicht Hemmungen zu haben, sich an einem fremden Ort brüllend, schwitzend und fluchend am Boden zu wälzen und fürchtet, sich beim Gebären nach den Arbeits- und Ferienplänen der Belegschaft richten zu müssen.
Zu Hause hingegen darf man sich so viel Zeit nehmen, wie man braucht. Man kann nackt herumtanzen, Heavy Metal statt Walgesang hören, Sofakissen aufschlitzen, wenn einem das hilft, und die schlimmsten Fluchwörter herumbrüllen, die man kennt.
Dennoch.
Mittlerweile habe ich mich entschieden: Mein Sohn wird, so alles geplant läuft, in der hygienisch sterilen Umgebung eines Kantonsspitals das Neonlicht der Welt erblicken.
Krankenhäuser haben ja in den letzten paar Jahren von den Geburtshäusern viel dazugelernt. Es gibt Badewannen, Gym-Bälle, Matten und Majahocker. Und Babys dürfen nach der Geburt direkt zur Mutter und bleiben auch dort.
Natürlich: Gebärzimmer kommen in ihrer Heimeligkeit nicht an eine Lounge mit Sofalandschaft, offenem Kaminfeuer und kuscheligem Teppich heran. Aber sie sehen auch nicht mehr aus wie die Hinterräume einer Metzgerei. Und vor allem sind sie mit allem bestückt, was es bei einer Geburt allenfalls brauchen könnte.
Klar laufen die meisten Hausgeburten gut ab. Schliesslich wird man von einer erfahrenen Hebamme betreut. Dennoch besteht ja die klitzekleine Chance, dass doch etwas aus dem Ruder läuft.
Ich stelle mir schon die Fahrt unter normalen Wehen ins Spital etwas unangenehm vor, wie schrecklich und beängstigend muss es erst sein, nach Stunden und Stunden erfolglosen Würgens und Pressens notfallmässig mit einem halb im Geburtskanal feststeckenden Kind in die Klinik rasen zu müssen?
Und sollte es dann doch zum Schlimmsten kommen, wird man sich vermutlich ewig Vorwürfe machen.
Ich zumindest werde beruhigter gebären, wenn ich weiss, dass sich einen Stock tiefer eine hochausgerüstete Neonatologie-Abteilung befindet.
Aber auch wenn alles gut läuft, könnte es ja sein, dass man zwischen Küche und Bad keuchend am Garderobenhaken hängend feststellen muss, dass man die Schmerzen vielleicht doch ein klitzekleines bisschen unterschätzt hat und einen die Hebamme nun nur Globuli und Himbeerblättertee anbieten kann. Leider muss die Do-it-yourself-PDA erst erfunden werden. Und ich möchte auch nicht die ganze Nacht auf einen Kochlöffel beissen müssen, damit die Nachbarn wegen den gellenden Schreien nicht die Polizei rufen.
Obwohl: Ich würde mich theoretisch auch zu Hause schämen, mich brüllend und schwitzend und fluchend auf dem Boden zu wälzen. Aber wenn einem danach ist, ist es dann vermutlich auch egal, wo man das tut. Und wenn ich dann dabei auch noch kacken muss, dann lieber doch nicht auf meinen schönen Kirschholzparkett.
Überhaupt, die Schweinerei.
Ich bin froh, muss ich mich im Spital nicht selbst um die Sauerei, die eine Geburt anrichtet, kümmern. Denn wer als Heimgebärende erwartet, dass das der Mann erledigt, der muss damit rechnen, noch Wochen später neben Pizza- auch noch Plazentareste unter dem Sofa zu finden.
Nun, zum Glück dürfen Frauen heute selber entscheiden, wie und wo sie gebären möchten. Vielleicht entscheide ich mich bei einer nächsten auch für das traute Heim. Vermutlich aber eher nicht.
Denn Geburten sind was wunderbares.
So zehn Jahre später zurückblickend betrachtet.
Aber sie können auch traumatisch sein.
Und daran würde ich nicht immer erinnert werden wollen, wenn ich am Frühstückstisch sitze.
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Dein Schreibstil ist voller Witz und Ironie! grossartig, ich bin begeistert!
AntwortenLöschenLg Carmen