Freitag, 26. Oktober 2012
Wie sag ich`s meinem Liebsten?
Später las ich in einschlägigen Foren die ach so schnuckligen Geschichten, wie werdende Mütter die zukünftigen Väter informierten: Da wurden mit Filzstiften Babys auf Bäuche gemalt, Mini-Finkchen im Schuhschrank versteckt, Adventskalender mit Nuggis präpiert und positive Tests unter dem Kopfkissen versteckt. (Ja, ja. Alles gaanz, gaanz süss. Aber mal ehrlich: Verpieselte Sachen unter dem Kopfkissen? Um sich schon mal daran zu gewöhnen, dass man es in absehbarer Zeit mit Fäkalien zu tun haben wird?)
Ich hätte M. auch gern mit einem in späteren Erzählungen jööh-generierenden Einfall überrascht. In der Realität aber entschied ich aus mir im Nachhinein nicht mehr ganz ersichtlichen Gründen an einem Samstagmittag zehn Minuten vor Abfahrt an das jährliche Familientreffen auf das schicksalsträchtige Stäbchen zu pinkeln. Vermutlich, weil ich nicht im Traum daran dachte, es könnte positiv anzeigen. Im Gegenteil. Nach nunmehr doch einigen Versuchen, die alle hartnäckig einstrichig ausfielen, wollte ich diesmal einfach einen handfesten Beweis dafür, mich abermals von meinem unzuverlässigen Eierstock getäuscht haben zu lassen, sowie einen Freipass, um am baldigen Fest soviel Alkohol zu trinken, wie mir beliebte.
Darum setzte ich mich diesmal auch nicht auf den Badewannenrand, um mit zitternden Fingern gefühlte drei Stunden beschwörend auf das weisse Plastik-Orakel zu starren, sondern putzte mir betont locker die Zähne, versuchte gleichzeitig total cool, mein Haar in Form zu bringen und überlegte, ob zu meinem Kleid eher die braunen oder die schwarzen Sandalen angebracht wären.
Und dann. Ja dann. Sah ich eine rosa Linie. Und noch eine, aber nicht so richtig. Oder doch? Nein. Oder? "Duuu-uu!" brüllte ich also in Richtung grafisch bewandertem und auch sonst gut ausgebildetem, sowie in der Regel sehr rational denkendem M., dem ich aufgrund dieser Eigenschaften besser als mir selbst zutraute, eine korrekte Anzahl Linien wiederzugeben. M. betrat das Badezimmer, wo ich dem Ärmsten das verpieselte Stäbchen unter die Nase hielt. "Ein oder zwei Linien?" fragte ich.
Doch mittlerweile konnte ich es selber erkennen. Klar und deutlich. "Ich glaub, ich bin schwanger", hörte ich mich sagen. Es klang so merkwürdig und absurd, dass ich in teeniehaftes Gekicher verfiel. "Und wir haben nicht mal Rimuss, um anzustossen!" M. strahlte über das ganze Gesicht. Dann drückte er mich fest. Zehn Sekunden lang waren wir ein Ausbund an gemeinsamem Glück.
Doch plötzlich packte mich Panik. Sich zu freuen schien mir irgendwie falsch. Vielleicht war der Test ja kaputt, er hatte doch schon eine Weile im Schränkchen gelegen! Und wie viele Frauen verloren ihr Kind in den ersten Wochen, warum sollte ich da eine Ausnahme bilden? Ich hatte Angst, mich zu früh zu freuen. Das Ätsch-Bätsch würde unweigerlich kommen, ich wusste es.
Ausserdem fühlte ich mich auch gar nicht schwanger. Gut, meine Brüste glichen prallen Wasserballons und in wenigen Stunden würde ich feststellen, dass ich beim Kuchen, den ich gebacken hatte, die Butter vergessen hatte.
Aber ansonsten war mir pudelwohl. Das konnte ja nur ein schlechtes Zeichen sein.
"Du hast Recht", sagte M auf meine Befürchtungen hin besorgt. "Vielleicht machst Du besser am Montag noch einen oder zwei Tests. Dann wissen wir es sicher. Oder vielleicht gehst Du gleich zum Frauenarzt, der kann es dann doch mit Bestimmtheit sagen." "Und auf jeden Fall sagen wir es noch gar gar niemandem, gell?" ergänzte ich.
Wir versuchten also, ernst zu schauen und uns NICHT zu freuen. Doch wieder kicherte ich, als ob ich zwölf und M. Justin Bieber wäre. Auch M. fiel es schwer, nicht zu grinsen.
"Du, aber WENN es jetzt doch so wäre, ja, also, was machen wir dann?" fragte ich, plötzlich nervös. "Ich muss jetzt leider los", sagte M. "Warte, nein, wir müssen das doch jetzt besprechen, du kannst jetzt nicht gehen", rief ich aufgeregt. "Warum musstest du den Test denn ausgerechnet jetzt machen", fragte M, "du wusstest doch, dass ich auf den Zug muss."
"Bleib, lass uns nicht allein!" schrie ich dramatisch. "Ich weiss genau, du wirst jetzt Panik kriegen und abhauen und erst in elf Jahren wieder vor unserer Tür stehen und unser Sohn wird mich fragen: Mama, wer ist der fremde Mann?!"
Wir lachten beide. Ich vielleicht ein kleines bisschen hysterisch.
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